18.08.2014 Waiblinger Kreiszeitung Alle lieben Paula
Beim dritten Weinstädter Waschbärfest haben sich unsere Leser selbst von Regenschauern nicht abschrecken lassen Weinstadt-Schnait. Paula war natürlich der Star des Waschbärfests. Aber auch die Burenziegen und die Rettungshunde haben die Besucher in den Bann gezogen. Ludwig Heeß hat durch den Schnaiter Skulpturenpfad geführt – und mittags haben sich alle am Stand des Roten Kreuzes gestärkt. Hans Ruff nutzte das Fest, die Menschen aufzuklären. „Ein Waschbär ist kein Haustier – er wird immer ein Wildtier bleiben.“ Text: Bernd Klopfer Waiblinger Kreiszeitung Bild: Waiblinger Kreiszeitung
Was Paula stibitzt, das will sie auch behalten. Einmal hat sie die Uhr von Hans Ruffs Frau erwischt – und sie fauchend verteidigt. „Die darf dann nur der Chef wegnehmen – und das bin im Moment noch ich“, erzählt der Schnaiter. Es ist nur eine von vielen Anekdoten, die bei seinen Zuhörern für Lacher sorgt. Dutzende Menschen sind an diesem Samstagvormittag zum Parkplatz des Schnaiter Skulpturenpfads gekommen, darunter auch viele Eltern mit ihren Kindern sowie Großeltern mit ihren Enkeln. Es ist bereits das dritte Waschbärfest, das Hans Ruff und der Zeitungsverlag Waiblingen gemeinsam veranstalten – aber das Interesse daran hat nicht nachgelassen. Das liegt natürlich auch an der Art, wie Hans Ruff mit seinen Waschbär-Ziehkindern umgeht.
Sie hocken immer auf seinen Schultern, krabbeln auf den Kopf oder halten sich vorne am Hals fest. Für die Tiere, die mutterlos in der Wildnis aufgefunden wurden, ist Hans Ruff eine Art Ersatz-Mutter. Was der Jäger und Naturschützer bei seiner Paula immer wieder daran merkt, dass das Tier an seinem Körper eine Zitze sucht. Und die hat das Waschbär-Mädel schon mal an einer Falte im Hals vermutet, wodurch Hans Ruff einen großen blauen Fleck bekommen hat. Für Paula hat der Schnaiter in seinem Haus ein eigenes Zimmer. Und irgendwann, wenn sie größer ist, wird sie wie ihre Vorgänger Lissy, Luise und Joggi II ihr Leben auf einem Bauernhof verbringen.
Hans Ruff hat die Faszination, die der Waschbär ausübt, auch an diesem Samstag wieder für Aufklärungsarbeit genutzt. „Waschbären sind ursprünglich nicht bei uns heimisch.“ Das schöne Fell sei es gewesen, weshalb Züchter auf die Idee kamen, das Tier aus Nordamerika nach Europa zu holen. Es war die Gier nach dem Pelz, nach dem schnöden Geld. Hans Ruff hat, gerade auch mit Blick auf die vielen jüngeren Zuhörer, deutlich gemacht, dass ein Waschbär kein Haustier ist. Paula lebt nur bei ihm, weil er aus Tierliebe ein mutterloses Baby nicht dem Tod überlassen wollte. Und dieser Einsatz gilt nicht nur dem Waschbären: Hans Ruff hat in den vergangenen Jahrzehnten auch schon Rehe, Füchse und Marder aufgezogen.
Pheromonfallen und faule Sänger
Während Hans Ruff so erzählt, fängt es an zu regnen – doch niemand geht. Stattdessen werden Regenschirme aufgespannt. Gegen 10.45 Uhr wandert der Schnaiter Ludwig Heeß mit den meisten Besuchern zur ersten seiner vielen Skulpturen: dem Joggi aus Sandstein. Der hat erst einen männlichen Kopf gehabt. Weil aber Ende August 2012 ein Unbekannter die Waschbär-Skulptur geköpft hat, musste Heeß ein neues Haupt entwerfen – und das ist jetzt, findet der 81-Jährige, eindeutig weiblich. Ansonsten hat der schaffige Schwabe wieder auf seine gewohnt unterhaltsame Art den Skulpturenpfad nähergebracht. Inklusive Anekdoten rund ums Wengerter-Leben, angefangen von der Pheromonfalle gegen den Traubenwickler („Wir sagen Sexfalle“) bis zur Geschichte vom Sänger-Häfner, der nur gesungen hat, statt zu arbeiten – und dies gegenüber seiner Frau so gerechtfertigt hat: „Schaffen können alle – aber nicht singen.“
Dass Ludwig Heeß romantisch sein kann, beweist er beim Faiferbänkle. Es ist eine Skulptur, die das Zusammengehörigkeitsgefühl in Weinstadt stärken soll: Ludwig Heeß hat hier Materialen aus allen Ortsteilen verarbeitet. Und wer sich die Trauben an der Seite der Skulptur genauer anguckt, stellt fest, dass einige zusammen wie eine Mageritenblüte aussehen. Eine bewusste Tat: Die Blüte ist Ehefrau Margarethe gewidmet. Ein klassischer Liebesbeweis.
Gegen Mittag meint es Petrus wieder gut. Die dunklen Wolken verziehen sich, es scheint die Sonne. Beim Stand des Roten Kreuzes lassen sich die Leute ihre Rote Wurst schmecken. Maria-Theresia von Gaisberg-Helfenberg, immerhin schon 94 Jahre alt, berichtet stolz, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Waschbären gestreichelt hat. „Die sind süß, die Viecher“, sagt sie und lacht. Erfahrung mit Tieren besitzt sie allerdings, hat sie doch früher Enten, Gänse und Hühner gehalten.
Am Nachmittag sind es auch wieder Vierbeiner, die im Mittelpunkt stehen. Um 14 Uhr startet auf dem alten Sportplatz des Schönbühls die Rettungshundestaffel des Roten Kreuzes ihre Vorführung. Jacko, Smarti, Bobby, Leo, Fynn, Dana und Max zeigen, wie sie durch Röhren flitzen, über Leitern balancieren und bei Bedarf schnell zur Hilfe eilen. Drei Jahre lang werden Rettungshunde ausgebildet, danach müssen sie alle 18 Monate ihre Prüfung wiederholen. Fünf bis acht Einsätze haben sie im Schnitt im Jahr. Sie suchen dann mit ihren Herrchen vermisste Menschen in Wäldern. Demente, kleine Kinder oder Menschen, die nach einem Verkehrsunfall verwirrt verschwinden. „Was wir nicht suchen, sind Verbrecher“, sagt Leiterin Heide Wieland. Das ist Aufgabe der Polizei.
Die Teilnehmer des Waschbärfests haben an diesem Samstag jedenfalls eine Menge über Tiere gelernt. Neben dem Waschbären und den Rettungshunden gab es ja auch noch die Burenziegen von Heiner Negele, die zur Beweidung eingesetzt werden. Hans Ruff hofft, damit auch seine Kritiker zu überzeugen. Wobei ihm eins klar ist: „Allen Leuten kann man es nicht recht machen.“
@ Fotos unter www.zvw.de/waiblingen