03.04.2023 Waiblinger Kreiszeitung Tunnelpanik: Wie Rettungsgasse bilden?
Von unserem Redaktionsmitglied Pia Eckstein Rems-Murr/Stuttgart Tunnelpanik: Wie Rettungsgasse bilden? So verhalten sich Autofahrer richtig, wenn es eng ist, der Verkehr schnell und dicht fließt und Martinshorn und Blaulicht näher rücken
Der Heslacher Tunnel in Stuttgart ist eine Hauptverkehrsader in die Landeshauptstadt rein oder raus. Er ist eng und dunkel. Er verursacht schon im normalen Stadtverkehrswahnsinn Beklemmungen. Aber das Gefühl, das aufkommt, wenn dort Notarzt, Krankenwagen, Feuerwehr oder Polizei mit Martinshorn und Blaulicht so schnell wie möglich durchwollen, ist luftabdrückend panikähnlich. Wie verhält man sich dann richtig?
Martinshorn und Blaulicht? Verkehrsteilnehmer müssen Platz machen
Der Heslacher Tunnel in Stuttgart – direkt am Marienplatz und Nadelöhr für den Verkehr aus der Stadt raus oder in die Stadt rein – ist 2,3 Kilometer lang. Autos fahren dort zügig und dicht an dicht, und zwar auf nur einer Fahrspur für die jeweilige Fahrtrichtung. Der Gegenverkehr fließt auch nicht in einer eigenen Tunnelröhre. Platz gibt’s kaum. Am jeweiligen rechten Fahrbahnrand gibt’s zwar einen Gehweg, doch drauffahren kann man auf diesen nicht. Der Bordstein ist achsbrechend hoch. Und dann kommt dieses Alarmsignal: blau blinkend, laut und jaulend, drängend und fordernd. Platz machen! Not!
Die Not ist dann auch beim Autofahrer groß: Wohin ausweichen? Der Verkehr drängt, alle fahren weiter und irgendwie scheinen alle auch schneller werden zu wollen – nur weg, nur raus aus diesem Tunnel, auf dass diese Bedrängnis aufhöre.
Der Heslacher Tunnel ist sicher ein besonders heikles Rettungsgassen-Gebiet. Aber mit Sicherheit nicht das einzige. Es finden sich immer wieder und bestimmt auch im Rems-Murr-Kreis Straßenabschnitte, auf denen Autofahrer sicher gern ausweichen wollen, aber nur schwierig ausweichen können. Was dann?
Blaulicht und Martinshorn dürfen, so sagt es Paragraf 38 der Straßenverkehrsordnung, nur eingesetzt werden, wenn „höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten“.
Wenn diese Notfälle eintreffen, gilt: „Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen.“
Die rechtliche Lage ist allerdings nicht zu 100 Prozent eindeutig
Das Thema Rettungsgasse ist seit langem ein Dauerbrenner. Und tatsächlich hat sich die Notwendigkeit, eine solche zu bilden, inzwischen bei den meisten Autofahrerinnen und Autofahrern ins Hirn gebrannt. Wenn Stau ist, sieht man die meisten vorbildlich ganz rechts am Rand der Straßen stehen. In der Mitte kommen die Sanitäter, Notärzte et cetera bestens durch.
Aber ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint, ist die Sache nicht. Die Vorschrift, eine Rettungsgasse zu bilden, gilt, sagt die Pressestelle der Polizeidirektion Aalen, nur auf mehrspurigen Straßen, außerorts und bei Stau. Die Vorschrift gelte nicht im fließenden Verkehr und auch nicht, wenn jede Fahrtrichtung nur eine Spur zur Verfügung habe.
Wer Paragraf 11 der Straßenverkehrsordnung gründlich liest, findet nicht nur die Anordnung für die Rettungsgasse, sondern kann auch die Einschränkung herausinterpretieren: „Sobald Fahrzeuge auf Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden, müssen diese Fahrzeuge für die Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen zwischen dem äußerst linken und dem unmittelbar rechts daneben liegenden Fahrstreifen für eine Richtung eine freie Gasse bilden.“
Was aber tun, wenn sich alles innerorts auf einer Straße mit nur jeweils einer Spur abspielt? Und wenn gar der Verkehr noch fließt? Im nächsten Absatz von Paragraf 11 heißt es: „Auch wer sonst nach den Verkehrsregeln weiterfahren darf oder anderweitig Vorrang hat, muss darauf verzichten, wenn die Verkehrslage es erfordert; auf einen Verzicht darf man nur vertrauen, wenn man sich mit dem oder der Verzichtenden verständigt hat.“ Bedeutet: Man soll im Notfall Platz machen. Aber es muss unter den Verkehrsteilnehmern irgendwie abgesprochen – abgesichert – werden. Und zu den Verkehrsteilnehmern gehören – bei aller Not – auch die Fahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn.
Die Pressestelle der Polizeidirektion Aalen erklärt das leider nicht so eindeutig mit Handlungsanweisungen aufwartende Gesetz im Hinblick auf die Rettungsgassen-Not so: Kommt von hinten das drängende Blaulicht mit Martinshorn, verlangt das Gesetz, dass der Autofahrer auf sein Recht, weiterzufahren, verzichten muss. Und dennoch heiße das nicht immer, dass die Autofahrer rechts rausfahren und stehen bleiben müssen. Das hänge schlichtweg von der Straßensituation ab. Es gebe da keine immer anwendbare Regel. Manchmal seien „Rechts raus“ und „Bremse rein“ einfach nicht möglich. Dann müsse der Verkehrsteilnehmer womöglich noch ein Stück weiterfahren und vielleicht in die nächste Parkbucht ausweichen.
DRK Rems-Murr: Abstand zum Vorderen halten, damit Ausweichen möglich bleibt
Diejenigen, die beim Deutschen Roten Kreuz Rems-Murr den Rettungswagen fahren, sind natürlich nicht für den Heslacher Tunnel zuständig. Dort fahren andere Retter. Dennoch heißt es: Die Lage dort sei „komplex“ und „eine klare Empfehlung, wie sich Autofahrer zu verhalten haben, ..., können wir nicht tätigen“. Generell gelte: „Blaues Blinklicht in Verbindung mit dem Einsatzhorn ordnet an, dass alle übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben.“ Das DRK Rems-Murr verweist auf den schon genannten Paragrafen 38 der Straßenverkehrsordnung. Aber auch dort schränkt man ein: „Wie und mit welcher Maßnahme die Verkehrsteilnehmer bei beengten Verhältnissen wie im Heslacher Tunnel auf eine Lage zu reagieren haben, ist pauschal allerdings nicht zu beantworten.“
An Rettungsgassen sollten Verkehrsteilnehmer aber tatsächlich nicht erst denken, wenn Blaulicht und Martinshorn den Puls nach oben treiben. Ein Unfall könnte schließlich passiert sein, ohne dass es schon bekannt ist. Bereits bei zähflüssigem Verkehr und beginnendem Stau sollten Autofahrer damit rechnen, dass unter Umständen ein Einsatzfahrzeug passieren müsse. „Je größer dann der Abstand zum vorderen Auto ist, desto flexibler können die Verkehrsteilnehmer reagieren.“
Ganz schwierig werde es dagegen für Rettungsdienst, Polizei und so weiter, „wenn die Autos so dicht hintereinander platziert sind, dass Autofahrer kaum nach außen ausweichen können“. Ein einziger Verkehrsteilnehmer reiche aus, dass der Notarztwagen stecken bleibt und wertvolle Zeit verliert.
Das sagt das DRK Stuttgart
Der Heslacher Tunnel, teilt das DRK Stuttgart mit, sei „breit genug, dass unsere Rettungswagen ohne Probleme durch eine vorhandene Rettungsgasse fahren können“.
Die dringende Bitte lautet daher: Alle Fahrzeuge sollten – wie auch außerhalb von Tunneln– rechts ranfahren und eine Rettungsgasse bilden, sobald sich ein Rettungswagen mit Blaulicht nähert.