14.11.2019 Stuttgarter Zeitung Zur Belohnung gibt es Spaghetti
Rems-Murr-Kreis Rettungshunde Die elfjährige Schäferhündin Baily hat eine seit Sonntag vermisste Frau gefunden. Von Phillip Weingand
Die Heldin des Tages heißt Baily und hat den richtigen Riecher gehabt: Die Holländische Schäferhündin und ihre Hundeführerin Sabine Moscal haben in der Nacht zum Mittwoch eine 76 Jahre alte, demenzkranke Frau gefunden, die seit Sonntagmorgen vermisst worden war. Gegen 1.40 Uhr erschnüffelte das Tier die unterkühlte Seniorin in einem Waldstück nordöstlich von Weinstadt-Großheppach (RemsMurr-Kreis). „Sie lag in einem Gebüsch am Wegesrand“, erzählt die 50-jährige Moscal. „Sie war zwar etwas unterkühlt, aber sofort ansprechbar. Wir waren alle recht verwundert, wie gut es ihr geht.“
Während sich Rettungskräfte um die Seniorin kümmerten, bekam die Hündin ihre Belohnung: „Ich hatte extra eine Portion Spaghetti Carbonara eingepackt – und ihr Ball zum Spielen ist für Baily das Allerwichtigste“, erzählt die Leutenbacherin. Sie hat schon am Morgen danach diverse Interviewanfragen bekommen. Ganz angenehm sei ihr das nicht, denn sie fühle sich nicht als Heldin: „Es ist einfach mein Ehrenamt. Ich mache das seit 17 Jahren, es ist für uns eigentlich selbstverständlich.“ Und sie ergänzt: „Ohne meine Suchtrupphelferinnen Bianca Kern und Melissa Funder, die die Orientierung haben und den Funkkontakt halten, wären wir nichts.“
Dass die Suchaktion zum Erfolg geführt hat, war alles andere als selbstverständlich: Die Chancen für die dünn bekleidete Seniorin standen ziemlich schlecht. Am Sonntag und Montag lagen die Temperaturen in Waiblingen um den Gefrierpunkt, wegen schlechter Witterung hatte ein Polizeihubschrauber am Sonntag nur einen recht kurzen Einsatz fliegen können, zumal der Einsatz des Fluggeräts wie auch der Rettungshunde nur sinnvoll sei, wenn die Einsatzkräfte einen Ansatzpunkt hätten, erklärte ein Polizeisprecher.
Die erste Fährte der verschwundenen Seniorin am Korber Kopf verlor sich am Sonntag , am Montag startete die Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung. In der Nacht auf Mittwoch zogen die Hundeführer trotzdem erneut los. „Wir haben uns auf ein Waldstück konzentriert, in dem wir am Sonntag noch nicht gesucht hatten“, erzählt Moscal. Als sich Baily beim Stöbern merkwürdig verhielt, wusste sie: Irgendwo hier muss ein Mensch sein – wie sich herausstellte, war es die Vermisste.
Die Rettungshundestaffel Rems-Murr gibt es seit fast 20 Jahren. Sie finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden, die Kosten für Ausrüstung und Einsätze trägt sie selbst. Hundehalter, die mit ihrem Tier die Ausbildung zum Rettungshundeteam absolvieren wollen, müssen viel lernen – neben Erste-Hilfe-Kursen stehen zum Beispiel Lernmodule zur Einsatztaktik und den Gefahren auf dem Plan.
Zwei bis drei Jahre braucht es, um einen Flächen- oder Trümmersuchhund und seinen Begleiter auszubilden – diesen Weg haben Sabine Moscal und Baily genommen. Für einen Mantrailer, also einen Personenspürhund, der sich bei der Suche ausschließlich auf den Geruch einer bestimmten Person konzentrieren kann, sind es sogar drei bis fünf Jahre. Und danach geht es weiter: Die Prüfungen müssen Jahr für Jahr wiederholt werden.
Ob Baily das noch einmal durchzieht, ist noch nicht ganz klar: „Sie ist jetzt elf Jahre alt und steht kurz vor der Rente. Ob sie noch eine Prüfung macht, entscheiden wir danach, wie es ihr geht“, sagt Moscal. Eine Nachfolgerin stehe aber in den Startlöchern: Hündin Gin, auch schon acht Jahre alt, hat erst am Samstag ihre Einsatzprüfung bestanden.